Schrei, wenn du noch schreien kannst

 

Schrei, wenn du noch schreien kannst

 

Es war Nacht und Biggi war noch mal zur Basis gefahren, weil sie die

falschen Berichte und Einsatzprotokolle eingepackt hatte. Ihr fiel auf, dass

keine Straßenlaterne brannte. Doch sie dachte nur an einen Stromausfall. Sie

schloss die Tür auf und trat ein. "Verflucht noch mal, warum geht hier

nichts?", fluchte sie, als das Licht auch nicht angehen wollte. Blind

tastete sie sich nach vorne und stieß dauernd irgendwo an. Plötzlich hörte

sie ein Geräusch. Sie erstarrte und sah aus dem Fenster. Bei Peter im

Wohncopter ging gerade das Licht aus. Biggi stutzte. Peter war seit drei

Wochen dort ausgezogen. Und sie hatte sein Auto nicht hier gesehen. Und zu

Fuß würde das alles etwas lange dauern. Biggi lauschte in die Nacht hinein.

Nichts zu hören. Sie verfluchte sich selber, was sie wahrscheinlich von

Thomas hatte, weil sie sich dachte, dass alles Einbildung wäre. Doch auf

einmal wurde der Aufenthaltsraum durch einen schwachen Lichtstrahl erhellt.

Sie drehte sich reflexartig zum Fenster hin und blickte auf ihr Motorrad. Da

brannte doch tatsächlich der Scheinwerfer. Langsam wurde Biggi mulmig.

Geisterte hier noch jemand rum? Sie sah einen Schatten, der die Basis

betrat. Und etwas blitzen. Biggi duckte sich blitzschnell. Dieses Blitzen

schien von einem Messer zu kommen. Biggi ergriff die Panik. Wer war dieser,

der hier war? Wollte er etwas von ihr? Biggi kroch auf allen vieren Richtung

Hangar. Sie blickte hinter sich. Dieser Schatten musste sie bemerkt haben.

Denn er schlich ihr nach. Himmel, was sollte sie tun? Laut um Hilfe

schreien? Doch ihr war klar, dass sie keiner hören würde. Und wenn Peter

doch da war? Vielleicht ist bei ihm auch nur der Strom ausgefallen und saß

jetzt ebenfalls im Dunklen? Biggi robbte weiter und öffnete nun die schwere

Eisentüre. Sie schloss die Türe leise wieder und wollte sich irgendwo

verstecken. Doch wo? Sie konnte sich nicht schnell im Hangar fortbewegen, da

alles voll geräumt war, und wenn sie irgendwo dagegen stoßen würde, würde

dieser Unbekannte sie sofort entdecken. Und dann wäre alles aus. Wenn der

Typ wirklich ein Messer bei sich hatte. Ein Türeöffnen ließ sie durchzucken.

Er war im Hangar! Er hatte es mitbekommen, dass Biggi in den Hangar geflohen

war! Wo sollte sie hin? Wo sollte sie sich auf die schnelle verstecken, ohne

dass er sie bemerken würde? Im Helikopter! Doch wenn sie so recht überlegte,

da würde doch dieser Mister Unbekannt sofort nachschauen. Denn er musste

sich hier auskennen, weil er sich so gut zu recht fand. Vielleicht war es ja

Ebelsieder! Denn er hatte schon lang ein Auge auf sie geworfen. Doch

eigentlich war es Quatsch. Ebelsieder hatte Urlaub und war in Budapest. Und

wenn es so ein Psychopath war, den sie mal in die Klinik geflogen hatte?

Aber der würde sich doch im Dunklen auf der Basis nicht gut orientieren

können. Der würde auch nicht irgendwann mal nachts herkommen und den Weg

durchüben, wie er sich zum Hangar durchzukämpfen hatte. Totaler Quatsch.

"Vielleicht so ein Sextäter oder Serienkiller.", dachte Biggi, doch

irgendwie musste sie grinsen. Sie sah doch zu viel fern. Er stand nur paar

Meter von ihr. Sie wusste nicht wohin. Er würde sie finden. Sie hörte ihn.

Sie hörte ihn auf das Rollbrett steigen. Das Rollbrett! Biggi krabbelte zum

Rollbrett und zwängte sich unter das Rollbrett. Sie versuchte möglichst

leise zu sein, doch so richtig schaffte sie das nicht. Und schon öffnete der

große Unbekannte die Winschtür. "Tja, Pech gehabt.", dachte sich Biggi und

triumphierte innerlich. Doch wie lange würde ihr Versteck ein Versteck

bleiben? Wie lange würde sie es überhaupt unter dem Rollbrett aushalten. Es

war sau unbequem. Doch Biggi stand die Angst im Gesicht geschrieben. Wann

wurde man schon am Arbeitsplatz von einem nicht erkennbaren Typen verfolgt,

eher gejagt? Biggi überlegte, was sie tun könnte. Lange würde sie es nicht

mehr aushalten, das war klar. Sollte sie bei Thomas anrufen? Doch es war

mucks mäuschen still im Hangar und ihr Handy würde Geräusche von sich geben,

wenn doch gedämpft, aber er würde sicher merken, dass sie unters Rollbrett

gekrochen war. Wenn der sich schon in den Hangar tasten konnte. Es würde

Lärm machen, wenn sie ihr Handy rauskramen würde. Hilfe!! Was sollte sie

tun? Sie war noch nie in einer solch verzwickten Lage. Schweiß rann ihr die

Stirn runter. Schreien. Doch es würde sie eh keiner hören. Plötzlich

schepperte es. Biggi fuhr zusammen. Sie nutzte die Gelegenheit, um aus ihrem

Versteck vorzukriechen und zur Hangartüre zu schleichen, die Dank dem

Unbekannten offen blieb. Sie ging weiter zum Aufenthaltsraum und versuchte

so leise wie möglich zu sein. Doch ihr Verfolger schien gar nicht so dumm.

Sie merkte, wie er ihr plötzlich wieder in den Nacken stach. Schreien. Sie

sollte schreien, solange sie es noch konnte. Doch es würde ein Schrei sein,

der in der Nacht verhallte. Keiner würde mitbekommen, was für eine Tragödie

sich hier abgespielt hatte. Niemand. Keiner würde es je erfahren. Biggi

wollte telefonieren. Sie kramte in ihrer Tasche. Doch sie fand das Handy

nicht. Sie musste es beim Motorrad gelassen haben. So ein Schafkäse. Blieb

ihr nur noch das Basistelefon. Sie hob langsam den Hörer ab, doch die

Leitung blieb tot. Der Serientäter hatte die Telefonleitung durchtrennt.

Jetzt fiel es ihr ein. Der Stromausfall. Sie war abgetrennt von der

Außenwelt. Jetzt würde erst recht keiner checken, was lief. Durch das viele

Nachdenken hatte Biggi nicht bemerkt, dass sie sich gar nicht versteckt

hatte, sondern im fahlen Schein des Motorrads stand und bemerkbar war. Sie

wurde plötzlich von hinten gepackt und Biggi schrie wie am Spieß. Bis der

Unbekannte ihr den Mund zuhielt.

 

"Verdammt Biggi, was soll das eigentlich??", hörte Biggi sagen und Biggi war

schlagartig still. "Thomas?", fragte sie erstaunt und dennoch erleichtert.

"Ja wer sonst? Meinst du, der böse Serienkiller von nebenan?", fragte Thomas

sarkastisch und Biggi ließ sich erleichtert in seine Arme sinken. "Ich

dachte schon. Das Licht war aus. Du klebst hinter mir.", seufzte sie und

musste lachen. Doch dann fiel ihr das Blitzen wieder ein. "Das Blitzen."

"Was für ein Blitzen?" "Ich hab dich, falls du das warst, gesehen, aber da

hattest du was in der Hand, so was wie ein Messer, wo ist das?", fragte

Biggi, die jetzt wieder Angst bekam, da Thomas dies nicht dabei hatte. "Ach,

die Zange? Die hab ich im Hangar, mir wurde das zu blöd. Ich versuch die

ganze Zeit den Notgenerator anzumachen, damit man hier dann Licht hat,

wenn wir später um drei Schicht haben. Was machst du eigentlich hier?" "Ich

hatte das falsche Zeug eingepackt. Berichte, Einsatzprotos, weißt schon."

Thomas nickte. Plötzlich ging das Licht wieder an, auch die Straßenlaternen.

"Ich glaubs nicht!!", staunte Thomas ironisch. "Dass die Affen auch mal

wieder den heiligen Lichtschalter anknipsen.", grinste Thomas und Biggi

musste nun wirklich lachen. So was dummes war ihr ja noch nie passiert. Sie

war so fröhlich, dass sie Thomas einen Kuss auf den Mund drückte, doch als

sie sich von ihm lösen wollte, hielt er sie fest und küsste sie zärtlich.

Beide ließen sich auf das Sofa sinken. Biggi dachte an ihren Satz "Schrei,

wenn du noch kannst." Und sie hatte geschrieen. Aber mehr oder weniger ins

Glück. Und das Licht ging abermals aus.

 

Ende




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