Kossaks Rache

 

Kossaks Rache (Autor: Susi )

Auf der Basis. Es war ein warmer Sommernachmittag, und die beiden Crews ärgerten sich im Aufenthaltsraum mit zu erledigendem Papierkram herum. Peter, Karin und Michael saßen am Schreibtisch, Thomas, Ralf und Biggi am runden Tisch. Im Dienst befand sich zur Zeit die A-Crew. Der Radio lief. Zwischen der Musik ertönten zur Vollzeit die Nachrichten. Nach einigen internationalen Berichten ertönte plötzlich eine Meldung, die die Crew aufhorchen ließ: "Der vielberüchtigte Frauenmörder und Gewaltverbrecher Kai Kossak ist aus dem Münchener Staatsgefängnis geflohen. Der Flüchtige befand sich auf einer Überstellung zu einem Arztbesuch. Vorsicht, der Mann ist bewaffnet. Ehemalige betroffene Opfer werden ersucht, sich umgehend unter Polizeischutz zu begeben. Während seines Aufenthaltes im Gefängnis habe der unberechenbare Psychopath laut Zeugenaussage mehrmals von Racheakten gesprochen..."   Die Personenbeschreibung wurde noch durchgegeben, doch Karin hörte bereits nicht mehr zu. All die Erinnerungen an die schreckliche Nacht vor ca. einem Jahr in den Händen dieses brutalen Verrückten schossen ihr wieder in den Sinn. Nur durch ein riskantes Manöver und lebensbedrohlichen Einsatz ihrer Kollegen und Freunde war es ihr damals gelungen, dem sicheren Tod zu entwischen. Karin schluckte. "Scheiße, dieses verdammte Arschloch" murmelte Michael und nahm Karin in die Arme. "Hey, es wird alles wieder gut. Wir lassen diesen Kerl nicht an dich herankommen..." - eine Zeit lang redete er beruhigend auf Karin ein, während sich die anderen betroffene Blicke zuwarfen. Dann machten sie sich daran, Kontakt zur Polizei herzustellen - auf keinen Fall sollte irgendetwas riskiert werden. Einige Zeit später traf der Kommissar ein, der auch schon damals mit Kai Kossak's Fall beschäftigt war. Michael und die anderen unterhielten sich mit ihm, während Biggi mit Karin in den Hangar ging. Es wurde ohnehin schon genug in ihren schrecklichen Erinnerungen gewüht, sie musste das jetzt wirklich nicht mitmachen. Im Hangar setzten sie sich in die offene Heli-Tür und Biggi legte einen Arm um ihre Freundin. Währenddessen besprach der Kommissar mit Michael und den anderen die weiteren Vorgänge. "Wir werden Frau Dr. Thaler unter Polizeischutz stellen, wie wir es ebenso mit den anderen betroffenen Frauen getan haben. Wie man während der Einsätze ihres Stützpunktes vorgeht, müsste sie selbst entscheiden. Aber andererseits ist sie dabei ja nicht allein, und Kossak hat ungern Gesellschaft, wenn Sie verstehen was ich meine. Und dass für Ihre Crews Gefahr besteht, ist ebenso unwahrscheinlich." "Das denke ich auch", entgegnete Michael. "Und während der Einsätze geben wir Obacht auf Karin, keine Sorge." "In der nächsten Stunde noch müsste einer unserer Bodyguards ankommen. Sollte es noch irgendwelche Fragen geben, hier ist meine Nummer."

Der Bodyguard kam und für Karin's Sicherheit war gesorgt. Die Schicht der A-Crew würde noch bis in die Nacht andauern und Karin verließ gegen Abend in Begleitung des polizeilichen Leibwächters die Basis. Ebenso zog sich Ralf mit Gonzo nachhause zurück. Biggi spazierte noch ein wenig am Fluss nahe der Basis herum - sie hatte vor, später noch Papierkram zu erledigen. Sie tat dies ungern zuhause, ganz allein - hier hatte sie wenigstens Gesellschaft. Verträumt blickte sie in das Wasser, als Thomas sie plötzlich aus ihren Gedanken riss - er war von hinten an sie herangetreten. "Hey" sagte er. "Was machst du denn hier so allein?" Sie schreckte ein wenig zurück und sagte: "Hm...Nachdenken? Aber eigentlich weiß ich es ja selbst nicht...- und du?" "Ach...mir geht's ähnlich. War ein recht aufregender Tag heute, na? Zum Glück ist Karin jetzt in Sicherheit. Ich hab noch genau das Gesicht dieses Kai Kossak in den Augen..." "Hoffentlich haben sie ihn bald, Karin tut mir richtig leid", sagte Biggi. Eine Weile standen sie nebeneinander da, dann setzten sie sich ins Gras. "Wie geht es dir denn sonst so? Man sieht sich ja nur mehr beim Ein- und Ausrennen aus dem Hangar.", fing Thomas dann an. "Da hast du Recht... wenigstens eine kleine Ablenkung vom viel zu wenig aufregenden Privatleben. Was deine Frage im Übrigen fast beantworten sollte." "Oh. Verstehe. Kenn ich gut - jeden Morgen bin ich froh, den Dienst antreten zu dürfen. Michael und Karin zuhause zu beobachten ist ebenso nicht gerade meine Lieblingsbeschäftigung. Auch wenn ich ihnen ihr Glück von Herzen gönne." Biggi schmunzelte leicht. Eine Weile sagten sie wieder gar nichts und genossen die Stille und die Gegenwart des anderen. Biggi seufzte. Da fasste Thomas Mut und legte seinen Arm um sie. Es dämmerte bereits und bald würde die Nacht ganz ihre Wirkung zeigen. Aber das letzte Zwitschern der Vögel und das leise Rauschen des Wasseres brachten eine gewisse Romantik mit sich. Biggi genoss Thomas' Nähe sehr, lehnte sich ein wenig an ihn und sah ihn an. "Warum machen wir es uns eigentlich so schwer? ", fragte sie dann leise. "Ich weiß es nicht. Zwei Einsame könnten sich ja leicht zusammentun. Haben wir vielleicht Angst, dass unsere Freundschaft draufgehen könnte?", entgegnete er nachdenklich. "Es gäbe sogar noch was Schöneres als Freundschaft..." , sagte sie dann leise und blickte ihm tief in die Augen. "Allerdings..." antwortete er, ohne auch nur eine Sekunde seinen Blick von ihr zu lassen. Dann zog er sie langsam näher zu sich, und ihre Lippen näherten sich im Zeitlupentempo. "Wie lange habe ich auf diesen Moment gewartet..." sagte er kaum hörbar. Nun legte auch sie einen Arm um ihn. Eine Millisekunde, bevor sich ihre Lippen endlich zaghaft berührten, ertönte laut die jegliche Romantik tötende Sirene der Rettungsleitstelle. Wie sollte es auch anders kommen... "Verkehrsunfall auf der A2. GPS-Koordinaten per Funk. Over and out". Schon kamen Michael und Peter aus der Basis gerannt und riefen ungeduldig nach Thomas. Er und Biggi stöhnten auf und Thomas begab sich wider Willen, nach dem er Biggi einen traurigen Blick zugeworfen hatte, rennend zum Helikopter. "Und das Warten nimmt kein Ende..." sagte Biggi leise zu sich selbst, eine Träne verschluckend, während sie dem startenden Helikopter nachsah.

Es war inzwischen ganz dunkel geworden, und ein wenig frierend begab sich Biggi in den Aufenthaltsraum, wo sie sich, nun doch allein, um die lästigen Einsatzberichte kümmerte. Allerdings konnte sie sich auf diese nur kaum konzentrieren - Thomas ließ sie nicht los. Sie waren schon immer sehr gute Freunde gewesen. Geflirtet hatten sie ebenso, aber es waren eben beide zu ängstlich gewesen, um einen ersten Schritt zu wagen. Und nun hatte es wieder nicht funktioniert, wo sie allen Mut zusammengenommen hatten. Wieder seufzte sie - diesmal allerdings war kein Thomas da, der sie liebevoll in den Arm nahm.  Lediglich Max kam plötzlich in den Aufenthaltsraum, sich wundernd, Biggi um diese Zeit dort noch anzutreffen. "Wenn das so ist - wärst du so lieb und checkst für mich den Heli nachher durch? Ich würd' mich so gern in die Falle hauen..." bat er sie dann schließlich. "Ja, schon gut, Max. Mach ich, wenn die Jungs zurück sind. Ihre Schicht ist ohnehin schon aus. Gute Nacht!" Zufrieden verließ schließlich auch Max die Basis. Inzwischen war es sehr spät. Biggi sah aus dem Fenster. "Was für ein ruhiger Abend", dachte sie bei sich. Sie ahnte nicht, wie sehr sie sich täuschen würde.

Mit der Zeit kam auch das A-Team wieder zurück. Der Einsatz war nicht schwierig gewesen. "Hi Biggi", grüßten Michael, Peter und Thomas Biggi, als sie den Aufenthaltsraum betraten. Eben war sie mit dem Papierkram fertig geworden. "Hi. War's aufregend?" fragte sie routinemäßig. Peter ließ sich erschöpft aufs Sofa fallen. "Ich will nur noch in meinen Wohncopter. Sauanstrengender Tag heute." Mit diesen Worten und einem beiläufigen "Gut'Nacht" verließ er die Basis und machte sich auf den Weg zu seinem "Wrack". Wäre er nicht so erschöpft gewesen, hätte er vielleicht sogar die dunkle Gestalt entdeckt, die erschrocken aus einem Gebüsch zur Seite gesprungen war, als Peter sich ihr näherte. Aber sie blieb unentdeckt. Eine Tatsache, die Folgen haben würde... 

Im Aufenthaltsraum setzte sich Michael inzwischen an den Schreibtisch, um noch einmal bei Karin anzurufen, ob alles in Ordnung wäre. Während er telefonierte, warfen sich Biggi und Thomas immer wieder Blicke zu. "Okay, mein Schatz. .......Und er ist wirklich nett? ..... Dass du mich bloß nicht eifersüchtig machst ............. bis dann .............. ich dich auch!" nach seinem vielsagenden Gespräch erhob sich Michael, um in den Umkleideraum zu gehen und vorher auch noch eine Dusche zu nehmen. "Freunde - ich genehmige mir eine heiße Dusche..." seufzte er zufrieden und verließ den Aufenthaltsraum. "Ach so....ja....ich muss ja auch noch", sagte Thomas. Biggi erhob sich ebenso, um ihr Versprechen bei Max noch einzulösen. Der Heli stand noch draußen - und Biggi wunderte sich, wie kalt es war, trotz der Jahreszeit. Sie griff sich eine Taschenlampe und machte sich daran, den "Engel der Lüfte" durchzuchecken. Sie vernahm nicht die schleichenden Schritte, die ihr immer näher kamen. Sie war abermals in Gedanken versunken - Thomas. 

Diesem ging es unter der Dusche nicht eine Spur besser. Während Michael versuchte, mit ihm über Urlaubspläne und ähnliches zu plaudern, konnte er nur an Biggi und die missglückte Szene am Fluss vor dem Einsatz denken.

Zur selben Zeit war Biggi gerade dabei, den hinteren Teil des Helis zu kontrollieren. Gerade wollte sie die Heckklappe öffnen, als sie vor Schreck aufschrie. Jemand hatte sie von hinten gepackt und hielt ihr nun mit unlösbaren Handgriff ein Messer an den Hals. "Was...was wollen sie von mir?", brachte Biggi keuchend hervor. "Du warst damals daran beteiligt, dass ich und meine Karin heute nicht zusammen sind!! Ich werde alle bestrafen........ALLE....ALLE......" , vor Aufregung hechelte er. Ohne Zweifel war die Gestalt Kai Kossak. "Hiiiiiiil.......f...e...!", keuchte Biggi - doch es half alles nichts. Kossak verfestigte nur noch seinen Würgegriff - es war Biggi kaum noch möglich, Luft zu holen. Sie hatte eine wahnsinnige Angst. Wäre nur ... Thomas hier!!!

Währenddessen beendeten Michael und Thomas gerade ihre Duschen. Langsam zogen sie sich um und machten sich gähnend daran, alle Lichter auszumachen, als sie feststellten, dass Biggi offensichtlich bereits die Basis verlassen hatte. "War wohl auch müde", meinte Michael, als er Thomas' verwunderten Blick sah. Niemand ahnte, was draußen gerade Schreckliches vor sich ging. Der Wahnsinnige hatte Biggi nicht nur einmal das Messer in den Bauch gerammt. Ihre verzweifelten Hilfeschreie waren in der dunklen Nacht untergegangen. Mehrmals hatte Biggi versucht, sich mit letzter Kraft loszureißen und zu fliehen - doch jedesmal hatte Kossak sie wieder zu Boden gestoßen und brutal außer Kraft gesetzt. Schließlich war Biggi kaum noch bei Bewusstsein - und endlich ließ er von ihr los. "Haha.....jetzt hab ich euch's gezeigt....." murmelte der Psychopath zufrieden und rannte dann mit einem Mordstempo Richtung Wald. Biggi hatte er im hohen Gras nahe des Helikopters liegen gelassen - diese konnte sich vor Schmerzen nicht mehr bewegen und blieb hilflos liegen. Mehr und mehr verlor sie völlig das Bewusstsein.

 "Hast du den Autoschlüssel?", fragte Michael Thomas, als sie schließlich nach Absperren der Basis draußen am Parkplatz standen - beim Autofahren wechselten sie sich meist ab. "Ne - du hast ihn doch heute morgen eingesteckt!", entgegnete ihm dieser. "Oh Mann - ich hab ihn aber nicht!" "Na super - dann können wir suchen...  sagte Thomas. Er sah unter den Wagen, blickte durchs Fenster nochmal in die Basis, um vielleicht irgendetwas Glitzerndes zu erkennen - ließ seinen Blick über den Parkplatz schweifen... - und da stockte er plötzlich. Aber nicht, weil er den Schlüssel gefunden hatte. Nein - Biggi's Motorrad stand noch immer an derselben Stelle, an der sie es morgens geparkt hatte. Biggi war gar nicht nachhause gefahren. Aber wo war sie dann? Nachdem er Michael darauf aufmerksam gemacht hatte, rätselte auch der. Und dann kam ihm ein schrecklicher Gedanke. "Thomas.... dieser Kossak...... läuft frei herum.... - und wenn er nun doch auch an uns Rache nehmen will?"  Einen Augenblick sahen sie sich an, dann riefen sie beide im selben Moment lauthals "Biiiiggiii!!!

"Du in die, ich in die Richtung", wies Michael seinen Freund an - und beide machten sich voller Sorge auf die Suche. Michael nahm sich das Flussufer vor und den hinteren Teil der Basis. Thomas machte sich rufend auf den Weg Richtung Helikopter... "Biiiggiii!!!!! Bitte antworte!!!! Kannst du mich hören??" rief er mehrmals durch die Nacht. Als er beim Helikopter angelangt war, entdeckte er am Boden die noch immer angeknipste Taschenlampe. Biggi war nicht gegangen - sie hatte bloß den Heli durchgecheckt. Warum hatte er das nicht gemacht? Er lehnte sich verzweifelt mit der Stirn an die Heckklappe des Helis. "Biggi, wo bist du nur?" , flüsterte er kaum hörbar. Dann blickte er auf. Er durfte jetzt auf keinen Fall aufgeben. Er richtete sich wieder ganz auf und drehte sich um. Dann stockte ihm der Atem. "Thomas...", kam eine wimmernde Stimme aus dem hohen Gras, etwa sieben Meter vom Heli entfernt. Biggi war gerade wieder leicht zu Bewusstsein gekommen, als sie Thomas gehört hatte. "Hier... bin ich"  flüsterte sie mit aller Mühe. Schon war Thomas in ihre Richtung gestürzt und fand seine blutüberströmte Kollegin nun voller Entsetzen im Gras liegend vor. "Biggi" stammelte er, fasste sich dann und rief so laut er konnte: "MIIIIIICHAEEEEEL!!!!!!! SCHNELL!!!!!

Dann beugte er sich über die nun fast wieder bewusstlose Biggi, zog seine Jacke aus und legte sie über sie. Dann legte er vorsichtig seinen Arm unter ihren Rücken und zog sie mit großer Behutsamkeit an sich. Sie durfte auf keinen Fall länger der Eiseskälte ausgesetzt werden. "Es wird alles wieder gut, glaub mir", versuchte er sie leise zu beruhigen. Ob diese Beruhigung allerdings ihm oder ihr gelten sollte, war ihm selbst unklar. Nach einigen Augenblicken, die  Thomas wie eine Ewigkeit vorgekommen waren, kam Michael angestürmt. "Oh mein Gott...", war seine erste entsetzte Reaktion. "Dieses verdammte Arschloch" Dann beugte er sich hinunter, fühlte Biggi's Puls, der bedrohlich schwach war und kontrollierte ihre Atmung - diese war allerdings auch kaum mehr vorhanden. "Okay, wir dürfen jetzt nicht die Nerven verlieren..." sagte er. Dann rannte er zum Heli, holte die Ausrüstung und eine Decke - das Gras war nämlich relativ feucht. Nachdem er sie neben Biggi ausgebreitet hatte, legten Thomas und er die Schwerverletzte vorsichtig darauf. Diese war inzwischen wieder völlig bewusstlos. "Schwere Ateminsuffizienz - aber wir intubieren später, gib mir erst mal den Ambubeutel!" Zitternd tat Thomas, was Michael ihm anwies und fragte dann leise: "Wird sie es schaffen, Michael?" "Ich... ich weiß es nicht. Wir müssen es zumindest versuchen. Wir dürfen jetzt nicht aufgeben, verstehst du?"  "Ja, klar.", antwortete Thomas mit bebender Stimme und fasste nach Biggi's lebloser Hand. "Wir müssen unbedingt die Blutung stoppen - sie hat bereits viel zu viel Blut verloren." Thomas übernahm jetzt die Beatmung und Michael begann, Biggi's T-Shirt aufzuschneiden, das inzwischen vom Blut völlig rot war. Er erschrak, als er die vielen Messerstiche sah, die Kossak Biggi verpasst hatte. "Schnell, gib mir die sterilen Wundauflagen!", drängte er und versuchte dann, irgendwie die Blutungen zu stoppen. Dann tastete er Biggi ab und sein Gesicht wurde dabei immer hoffnungsloser. "Verdacht auf Milz- oder Leberruptur, Serienrippenfraktur rechts und links... Wir müssen jetzt so schnell wie möglich machen - aber so lange wir sie nicht stabilisiert haben, ist ein Flug unmöglich. Wo ist das EKG?"  Thomas reichte es ihm. Dann schlossen sie Biggi an das Gerät an  - doch Michael war mit den Werten mehr als unzufrieden. Er legte einen Zugang, hängte zwei Beutel an, einen Plasma Expanda, verabreichte ihr zwei kreislaufstimulierende Mittel und 1mg Adrenalin. "Hoffentlich kommt es zu keinem Herzstillstand. Sie braucht dringend Blutkonserven - so schafft sie das nicht lange. Okay Thomas, hol die Trage." Thomas erhob sich, während Michael die Beatmung übernahm. Als Thomas mit der Trage zurückkam, passierte es. Biggi's Herz hörte auf zu schlagen. "Scheiße!!! Schnell, wir müssen reanimieren!" rief Michael panisch, dann begann er mit der Herzmassage. "Komm schon, Biggi, BITTE!!! Lass uns nicht im Stich!!", flehte Thomas sie verzweifelt an. Doch es passierte nichts. Nach zehn Reanimationsdurchgängen setzte ihr Herzschlag schließlich endlich wieder ein. Thomas und Michael fielen sich um den Hals, doch es war noch lange nicht geschafft. "Jetzt aber schnell, wir dürfen keine Zeit verlieren! Gemeinsam hoben sie Biggi vorsichtig auf die Trage und trugen sie in den Heli. Michael sammelte noch schnell die wichtigste Ausrüstung ein, während Thomas schon den Rotor startete. Schließlich hoben sie mit einem Mords-Karacho ab.

Im Heli tat Michael alles, um Biggi am Leben zu halten. Thomas blickte immer wieder ängstlich nach hinten, flog gleichzeitig aber mit Höchstgeschwindigkeit - was in der Dunkelheit weder einfach noch ungefährlich war - zur Marienklinik. Allein hatte es Michael gar nicht einfach - doch Peter zu wecken, hätte viel zu viel Zeit gekostet. "Komm schon, Biggi, du schaffst es!!" redete er andauernd auf sie ein, als die Werte immer und immer wieder absackten. "Wie lange noch zur Klinik, Thomas?" "Zwei Minuten!"

Als diese zwei Minuten endlich vorbei waren, landeten sie auf dem Dachlandeplatz und wurden dort schon von Ärzten in Empfang genommen. "Wir werden alles tun, was wir können!", versprach der leitende Arzt und verschwand dann mit seinem Team und Biggi im OP.

Dann begann das Warten. Das ewige Warten, das Thomas und Michael schließlich den letzten Nerv kostete. Die Kollegen verständigten sie noch nicht - wozu sollten sich noch mehr Leute aufregen, es half Biggi nicht. Eine Krankenschwester brachte ihnen nach zwei Stunden zwei Becher Kaffee, doch die beiden brachten nicht einen Schluck hinunter. Thomas ging im Flur auf und ab, während Michael alle zehn Sekunden eine andere Position auf einem Sessel einnahm. Immer wieder kamen Krankenschwestern oder Ärzte vorbei, doch niemand konnte ihnen etwas über Biggi sagen. Nach fünf Stunden schließlich, es war inzwischen schon fünf Uhr morgens, kam schließlich ein Arzt auf sie zu. Er war offensichtlich ziemlich erschöpft von der OP.

"Herr Wächter, Herr Dr. Lüdwitz - ich habe Ihnen zwei Mitteilungen zu machen. Die eine: Ihre Kollegin lebt. Dank Ihnen. Hätten Sie sie nicht gefunden und so hervorragend versorgt, wäre sie jetzt wahrscheinlich nicht mehr am Leben. Die andere Mitteilung allerdings ist nicht erfreulich. Es ist uns gelungen, alle inneren Verletzungen zu versorgen. Aber während der Operation gab es einige gravierende Komplikationen - wir hatten abermals mit einem Herzstillstand zu kämpfen und schließlich ist sie ... ins Koma gefallen. Wir haben sie auf die Intensivstation gelegt, wo sie rund um die Uhr überwacht wird. Allerdings können wir jetzt noch nicht sagen, wie es weiter geht. Tut mir leid."

Auf diese Nachricht hin mussten sich die beiden Freunde erst mal setzen. "Wie stehen die Chancen, dass sie es schaffen wird?", fragte Michael schließlich. "Ich würde alles tun, um Ihnen etwas anderes sagen zu können, aber sie liegen nicht über 50%. Und die Chancen, dass sie bald aufwacht, sind noch geringer. Aber wir müssen jetzt einfach abwarten..." Thomas ließ den Kopf in die Hände sinken. Kaum hörbar flüsterte er: "Warum nur?!" "Das weiß keiner", seufzte Michael, legte seinen Arm um Thomas und sagte: "Aber wir dürfen jetzt nicht aufgeben. Wir haben es bis hier geschafft, obwohl die Lage fast aussichtslos war. Und wir werden es weiter schaffen. Biggi braucht uns jetzt, hörst du?" Er nahm seinen Freund an den Schultern und rüttelte ihn. Daraufhin blickte dieser auf und sah Michael mit tränengefüllten Augen an. "Du hast recht" sagte er leise. "Können wir zu ihr?" "Ich geh fragen", antwortete Michael und machte sich auf den Weg. Als er wieder zurückkam, meinte er: "Wir dürfen, für ein paar Minuten. Komm."

An der Intensivstation angelangt, mussten sie sich grüne Kittel überziehen. Dann gingen sie rein zu Biggi. Thomas erschrak, als er die unzähligen Schläuche und Geräte sah, an die Biggi angeschlossen war. Michael hingegen hatte diesen Anblick bereits erwartet. Biggi lag leblos in ihrem Bett. Gerade war eine Schwester dabei, eine Infusion zu wechseln. Dann verließ sie den kleinen Raum und Michael und Thomas waren mit Biggi allein. Sie nahmen sich zwei Sessel und setzten sich an ihr Bett. Thomas nahm Biggi's Hand und sah sie an. "Kann sie uns hören?", fragte er Michael. "Ich denke schon. Nein, ich bin sicher, dass sie es tut." Dann stand er auf und überprüfte die Geräte und das Kardiogramm. "Viel zu schwach", murmelte er.

Nach wenigen Minuten wurden sie wieder hinausgeschickt, sie dürften "morgen wieder kommen. Erschöpft und niedergeschlagen begaben sie sich in den Heli und flogen schweigend zurück zur Basis. Zuhause angekommen erzählten sie alles Karin und verständigten ebenso die anderen des Teams - alle waren gleicherweise schockiert. Am Vormittag erhielten sie zumindest eine gute Nachricht: Kai Kossak war gefasst worden. So schnell würde er nicht mehr aus dem Gefängnis herauskommen, davon waren alle, einschließlich des fungierenden Richters, überzeugt.

Am Nachmittag hielten sie es schließlich nicht mehr aus, und das gesamte Team fuhr zusammen in die Klinik. Dienst hatten sie an diesem Tag keinen, aufgrund der Ereignisse und des Pilotenausfalls.

Auf der Intensivstation passten sie gerade mal alle in den kleinen Raum. Biggi's Zustand hatte sich kein bisschen geändert. Ihr Herzschlag war immer noch zu schwach, außerdem machten die schweren Tachokardien den Ärzten Sorgen. Nicht nur Thomas kamen an diesem Tag die Tränen, als sie Biggi so daliegen sahen, umgeben von all den Geräten, die sie am Leben hielten. Aber der Arzt hatte recht: Man musste jetzt einfach abwarten, man konnte nichts anderes für Biggi tun. 

So vergingen die Tage. Täglich besuchten sie Biggi, deren Zustand nach wie vor sehr kritisch blieb. Sie rührte sich nicht, ebenso wenig besserte sich ihre Atmung noch ihr Herzkreislaufsystem. Alles wurde nur noch von Geräten in Stand gehalten. Mit jedem Tag wurde das Team noch verzweifelter. Ihre Kollegin und Freundin, die bis vor ein paar Tagen doch noch immer so gut gelaunt und lebendig war, stand jetzt auf der Schwelle zwischen Leben und Tod. Von einer Stunde zur anderen. War das fair??? Vor allem Thomas war gar nicht mehr wiederzuerkennen. Nachhause ging er gerade mal zum Schlafen, die andere Zeit verbrachte er teils auf der Basis in Dienstzeit und teils in der Klinik an Biggi's Bett.  Spätestens jetzt bemerkte das Team, dass zwischen den beiden ein ganz besonderes Band und nicht  nur Freundschaft herrschte. Fast täglich unterhielt sich Michael mit dem behandelnden Arzt, der ihnen aber nie gute Nachricht geben konnte.

Eines Tages saß Thomas wieder an Biggi's Bett. Das EKG piepste nach wie vor, und der Arzt meinte, sie müssten eigentlich dankbar sein, dass ihr Körper noch nicht ganz aufgegeben hat. "Biggi ... ich weiß, dass du mich hören kannst. Ich werde dir jetzt etwas sagen und ausnahmsweise bin ich froh, dass du mich dabei nicht ansiehst. Damals am Fluss, als wir da saßen und plötzlich der Einsatz kam ... ich kann dir nur sagen - niemals hat mich etwas so wütend gemacht wie diese Unterbrechung. Endlich hätte ich dir das sagen können, was mir schon so lange auf dem Herzen lag ... Ja, und jetzt - jetzt kann ich es dir vielleicht überhaupt nicht mehr richtig sagen ..."  Bei diesem Satz füllten sich seine Augen mit Tränen, und er barg leise schluchzend sein Gesicht in Biggi's Bettdecke. "Nämlich, dass ich dich ... liebe ...", flüsterte er. Immer noch hielt er Biggi's Hand umklammert. "Ich ... liebe ... dich ... auch ..." sagte dann plötzlich kaum hörbar eine Stimme - wie aus dem Nichts. Thomas konnte es nicht fassen. Er blickte auf und sah in Biggi's Augen - sie sah ihn an und brachte mit aller Kraft ein Lächeln hervor. Eine Zeit lang sahen sie sich nur in die Augen - ein Blick ergänzte den anderen und ein Gedanke ergänzte den anderen. Dann kam Thomas langsam Biggi's Gesicht näher - und schließlich passierte endlich, was sie sich schon so lange ersehnt hatten: Sie küssten sich. Thomas war ganz zärtlich und behutsam, und als sich ihre Lippen wieder langsam voneinander lösten, sahen sie sich abermals tief in die Augen und er sagte: "Vom ersten Augenblick an."  Nochmals küssten sie sich und dann sagte Biggi leise: "Und diesmal ist kein Einsatz gekommen..."

Von da an ging es aufwärts. Biggi's Zustand verbesserte sich zusehends - Michael und die anderen freuten sich riesig, schließlich hatten sie ebenso um Biggi's Leben gebangt. Zwar verordnete ihr der Arzt, noch eine Zeit lang auf der Intensivstation zu bleiben, doch die Zeit vertrieb sich Biggi damit, auf Thomas zu warten bzw. Thomas bei sich zu haben. Die beiden konnte von nun an nichts mehr trennen. Nicht mal Herr Ebelsieder, der sich nicht selten einen schwer eifersüchtigen Blick leistete...

Tag für Tag besuchte Thomas "seine" Biggi mit einem neuen Blumenstrauß - und das, wo das "Intensivkämmerchen" doch ohnehin schon so klein war... Aber sie hatten ja unglaublichen Nachholbedarf - und eines konnte ihnen jetzt keiner mehr nehmen: Sich immer und immer wieder nur den einen Satz zu sagen: ICH LIEBE DICH!!!!

ENDE



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